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14.05.2022 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten - 325

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,

ein Klavierkonzert, dessen Thema durch die Pauke(!) vorgestellt wird, ist schon allein kurios - aber auch in den folgenden 20 Minuten dieses Werks geht es äußerst turbulent zur Sache: Unser heutiges Musikstück ist die Burleske d-Moll von Richard Strauss, uraufgeführt 1890 in Eisenach mit Eugen d’Albert als Solisten.

Schon die vom frühreifen Richard Strauss im Alter von 21 Jahren komponierte Burleske atmet in mancher musikalischen Kühnheit den aufmüpfigen Geist des „jungen Wilden“ wie sie zugleich in einigen vollgriffigen, schwelgerischen Passagen die weit ausholende Geste des späteren Luxus-Klangzauberers offenbart. Das Stück entstand in Strauss’ Lehrzeit in Meiningen, wo ihm Hans von Bülow eine erste Anstellung als Hofmusikdirektor verschafft hatte. Damals stand bei Strauss durchaus noch die große Tradition von Mozart bis Brahms hoch im Kurs, auch wenn er durch Alexander Ritter, einen Musiker der Hofkapelle, bereits für die neudeutsche Idee Liszts und Wagners gewonnen worden war. Insofern wirkt die Burleske weder wie das Werk eines Brahms-Epigonen noch wie dasjenige eines Wagnerianers. Sie ist als ein Werk zwischen allen ästhetischen und formalen Stühlen - zwischen klassischer Tradition und neudeutscher Moderne, zwischen „absolutem“ Sonatensatz, Klavierkonzert und erzählender Sinfonischer Dichtung - vielmehr ziemlich singulär in der Literatur.

Der lebendige Umgang mit allerlei tradierten Stilmitteln und mit verschiedensten Charakteren vom Kapriziösen, Tänzerischen, Komischen oder Bizarren bis hin zum Schwärmerischen oder Dämonischen sowie die Verbindung von vertrackter Virtuosität und lyrischer Gedankenfülle ist dabei ein Zeugnis für die frühe kompositorische wie zugleich narrative Versiertheit des Alleskönners Strauss. Zwar hat er selbst das Stück später als „reinen Unsinn“ und „miserabel instrumentiert“ bezeichnet. Aber etwa auf den aparten Einfall, die Pauke so entscheidend am musikalischen Geschehen zu beteiligen, oder auf die reizenden Melodien musste erst einmal jemand kommen! Das Klavier wirbelt in Kaskaden, die vier Pauken protzen, die Piccoloflöten tirilieren und das Orchester wiegelt obendrein die Stimmung ordentlich auf. Richard Strauss will mit allen Mitteln komisch sein und verlangt das sogar an zwei Stellen explizit vom Solisten: wenn die Spielanweisung "con umore" in den Noten steht, also mit Humor. Dieser große Aufwand lohnt sich. Der Witz kommt an.

Ursprünglich hatte Strauss die Burleske für seinen Mentor Hans von Bülow komponiert. Dieser lehnte eine Aufführung allerdings mit den Worten ab: „Jeden Takt eine andere Handstellung - glauben Sie, ich setze mich vier Wochen hin, um so ein widerhaariges Stück zu studieren?“ So wurde das Werk erst 1890 durch Eugen d’Albert uraufgeführt.

Erst vor wenigen Tagen hat das Gewandhausorchester Leipzig im Rahmen seines Richard-Strauss-Zyklus dieses Werk auf das Programm gesetzt - Solist war Rudolf Buchbinder, der dieses Werk immer noch mühelos beherrscht. Bereits 1977 nahm er es mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Christoph Dohnányi im Wiener Musikverein auf:

www.youtube.com/watch

Und wie immer zum Vergleich noch drei weitere Aufnahmen: Daniil Trifonov mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Mariss Jansons, aufgezeichnet am 12. Oktober 2017 im Münchner Herkulessaal:

www.youtube.com/watch

Martha Argerich und die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Claudio Abbado im Silvesterkonzert 1992:

www.youtube.com/watch

Und zum Schluss noch eine Rarität aus den Archiven: Glenn Gould mit dem Toronto Symphony Orchestra unter der Leitung von Vladimir Golschmann, aufgezeichnet 1967:

www.youtube.com/watch
 

Beitrag von NR