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22.09.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 229

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

nicht nur in der Autoindustrie herrscht starker Konkurrenzkampf, auch im Instrumentenbau ist das zu beobachten. Unser heutiges Musikstück, "Danse sacrée et profane" von Claude Debussy, ist hierfür ein prominentes Beispiel:


Die "Deux Danses für chromatische Harfe und Streichorchester" waren eine Auftragskomposition des Hauses Pleyel, einer großen und angesehenen Klavier- und Harfenbaufirma in Paris. Der Hintergrund für den Auftrag waren neue Entwicklungen im Harfenbau. Pleyel stand hierbei in Konkurrenz mit der Firma Erard, die beide versuchten, mit neuen Techniken das chromatische Spiel auf der seit jeher diatonisch gebauten Harfe zu verbessern.

Erard hatte die Doppelpedalharfe entwickelt, bei der die Saiten durch Fußpedale in zwei Stufen je um einen Halb- und einen Ganzton nach oben gestimmt werden konnten. Pleyel entwickelte als Gegenentwurf die chromatische Harfe, die die Saiten in zwei Reihen gekreuzt anordnete. Dies entsprach in etwa der Anordnung einer Klaviertastatur mit den diatonischen Saiten (was den weißen Tasten entspricht) auf der einen und pentatonisch gestimmten Saiten (schwarze Tasten) auf der anderen Seite. Durch die Kreuzung etwa in der Mitte können beide Saitenreihen von beiden Seiten erreicht werden, man muss dazu allerdings über und unter den Kreuzungspunkt greifen.

Beim Versuch, das jeweilige Modell auf dem Markt zu etablieren, entwickelte sich ein Konkurrenzkampf, der auch über die Medien geführt wurde, und bei dem die beiden Firmen namhafte Komponisten einspannten. So bekam Debussy von der Firma Pleyel 1904 den Auftrag für die "Deux Danses", wohingegen Erard ein Jahr später Maurice Ravel gewinnen konnte, der 1905 die "Introduction et Allegro für Harfe, begleitet von Streichquartett, Flöte und Klarinette" vorstellte. Der Konkurrenzkampf war dann doch recht schnell entschieden. Die chromatische Harfe konnte sich trotz der Schützenhilfe Debussys nicht durchsetzen und verschwand vom Markt. Sie wurde noch bis 1930 gebaut, und im Pariser Konservatorium konnte bis 1933 chromatische Harfe studiert werden. Auch in Brüssel wurde eine Klasse für chromatische Harfe eingerichtet, die bis 1953, und dann wieder von 1978 bis 2005 bestand.

Die beiden Danses gehören heute zum festen Repertoire und werden, obwohl sie extra für chromatische Harfe geschrieben wurden, auf modernen Doppelpedalharfen aufgeführt. Die Uraufführung fand am 6. November 1904 in den Pariser Concerts Colonne statt. Der "Danse sacrée", der geistliche Tanz, geht direkt ohne Pause in den "Danse profane", den weltlichen Tanz, über. Letzterer steht im 3/4-Takt und besitzt einen sehr tänzerischen Charakter, wohingegen der "Danse sacrée" durch den langsamen 3/2-Takt eher an einen altertümlichen Schreittanz erinnert. Obwohl sie 1904, also in Debussys mittlerer Schaffensperiode, parallel zu wichtigen Werken wie "La Mer" entstanden, haben sie eine vergleichsweise einfache Tonsprache und eingängige melodisch-harmonische Gestaltung.

Birgitte Volan Håvik spielte Debussys "Danse sacrée et profane" mit dem Oslo Philharmonic unter der Leitung von Klaus Mäkelä am 16. Oktober 2020 in der Oslo Concert Hall:


www.youtube.com/watch

Und wenn alles wie geplant läuft, hören Sie das Stück am 18. Dezember 2021 auch in unserem Weihnachtskonzert im Kaiserdom.

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler