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18.05.2022 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten - 327

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
 
für die heutige Ausgabe habe ich einen Liederzyklus von Robert Schumann ausgewählt, den ich am kommenden Freitag selbst aufführen werde: Frauenliebe und -leben op. 42.
 
„Ach Clara, was das für eine Seligkeit ist, für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange entbehrt. Wie mir dies alles leicht geworden, kann ich dir nicht sagen, und wie glücklich ich dabei war. Meistens mach ich sie stehend oder gehend, nicht am Klavier. Es ist doch eine ganz andere Musik, die nicht erst durch die Finger getragen wird – viel unmittelbarer und melodiöser.“ Diese Zeilen schickte Robert Schumann seiner Braut Clara Wieck im Februar 1840, als er sich gerade von einer tiefen Depression und Schaffenskrise erholte. Vorausgegangen waren gescheiterte journalistische Projekte, entwürdigende Auseinandersetzungen mit Claras Vater, der ihm die Eheerlaubnis gerichtlich verweigern wollte, sowie künstlerische und emotionale Unstimmigkeiten zwischen ihm und Clara. Geradezu manisch wandte sich Schumann, der bis dahin fast ausschließlich für Klavier komponiert hatte, 1840 dem Gesang zu und schrieb in gut einem Jahr mehr als 120 Sololieder. Diese Vehemenz ist schwer erklärlich. Noch im Vorjahr hatte er bekannt, dass er Gesangskompositionen der Instrumentalmusik unterordne und „nie für eine große Kunst gehalten habe“.

Frauenliebe und -leben entstand in nur zwei Tagen im Juli des Jahres, zweifellos in der Gefühlsaufwallung kurz vor Bekanntgabe des Urteils. Das Gericht entschied zu Schumanns Gunsten, und die Hochzeit konnte einen Tag vor Claras 21. Geburtstag stattfinden.

Unter den Liederzyklen nimmt Frauenliebe und -leben eine Sonderstellung ein: Hier wird eine Liebesgeschichte einmal aus weiblicher Perspektive erzählt. In acht Gedichten spannt der Dichter Adalbert Chamisso einen großen Lebensbogen: Eine junge Frau ergibt sich zunächst in selbstvergessenes Verliebtsein. Als ihre Gefühle erwidert werden, schwelgt sie im Glücksrausch von Verlobung, Ehe, Mutterschaft, der erst durch den frühen Tod des geliebten Mannes jäh beendet wird. Aus heutiger Sicht der Frauenemanzipation mag eine solche auf Ehemann und Kind reduzierte Lebenserfüllung überholt bzw. als männliches Wunschdenken erscheinen. Doch die Schilderung schwärmerisch hingebungsvoller Liebe brachte Schumanns Liedern im 19. Jahrhundert große Beliebtheit ein, und ein Lied wie „Er, der Herrlichste von allen“ erlangte fast volksliedhafte Popularität.

Das traditionelle Rollenbild der Gedichte sollte dem Hörer jedoch nicht den Blick für den Gestaltungsreichtum der Musik verstellen. Kontinuierlich wechselt Schumann zwischen innig-langsamen und leidenschaftlich bewegten Tempi und Ausdrucksgesten, bringt die Abfolge der einzelnen Lebensstationen in einen lebendigen Rhythmus. Gleichzeitig schlägt er einen großen Bogen vom ersten Blick bis zum Schmerz über den Tod des Geliebten: Das gemessene Sarabanden-Metrum des ersten Liedes greift er zum Schluss im instrumentalen Nachspiel wieder auf. 
 
Im folgenden Link sind Diana Damrau und Helmut Deutsch mit Schumanns "Frauenliebe und -leben" zu sehen, aufgezeichnet am 3. April 2021 im Festspielhaus Baden-Baden:
 
www.youtube.com/watch
 
Und wer sich spontan noch einem Besuch des Liederabends am Freitag, 20. Mai, entscheiden möchte: Karten (15,00 Euro) sind noch an der Abendkasse erhältlich. Neben dem Schumann-Zyklus werden Antje Siefert und ich "Les nuits d'été" von Hector Berlioz und die Sea Pictures von Edward Elgar aufführen. Das Konzert beginnt um 19 Uhr in der Stadtkirche Königslutter.

Beitrag von NR