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20.04.2022 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten - 313

Sehr geehrte Damen und Herren,
 liebe Freunde der Kirchenmusik,
 
bevor "Sieben Wochen MIT Mozart" am Ostersonntag endet, gibt es zum heutigen Karfreitag noch eine Extra-Ausgabe. Um das Requiem d-Moll KV 626, das Mozart nicht mehr vollenden konnte, ranken sich zahlreiche Legenden. In einem Konzert mit dem Chor und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks setzte Chefdirigent Mariss Jansons vor einigen Jahren einen starken Kontrast: Vor die Aufführung des Requiems setzte er Arnold Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau", dazu später mehr.
 
Es gibt wohl kaum ein Musikstück, um das sich derart viele Mythen und Legenden gebildet haben wie beim Mozart-Requiem. Wer den Film "Amadeus" gesehen hat, weiß was gemeint ist: Mordgedanken, Intrigen, Eifersucht, einen unheimlichen Besucher, einen gemeinen Schurken und ein Genie, das verzweifelt gegen den Tod ankomponiert. Berührend die Szene, in der der schwerkranke Mozart dem hinterlistigen Salieri das Confutatis in die Feder diktiert:
 
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Mozarts Ende kam viel zu früh. Am 5. Dezember 1791 starb er mit nur 35 Jahren - mitten in der Arbeit am Requiem. Glaubenstreue schwingen in diesem Werk genauso mit wie Mozarts ständige Auseinandersetzung mit dem Tod. Das Requiem ist vielleicht sein menschlichstes Werk, ein Kaleidoskop aus Emotionen: hoffnungslos und hoffnungsvoll zugleich. Als der Auftrag für das Requiem im Juli 1791 von Graf Walsegg zu Stuppach kam, komponierte Mozart quasi seine eigene Totenmesse. Die Fertigstellung der Auftragskomposition wurde dann einem anderen jungen Komponisten und Schüler Mozarts anvertraut, Franz Xaver Süßmayr. Anhand der unvollständigen Skizzen des Meisters hat Süßmayr dieses Werk vollendet. 
 
Soweit die sehr knapp zusammengefasste Entstehungsgeschichte des Requiems, nun zu Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau": Im Frühjahr des Jahres 1943 kam es zu einem Aufstand der überlebenden Juden im Warschauer Ghetto gegen die deutschen Besatzungssoldaten. Auf deutscher Seite dachte man, den Aufstand in drei Tagen niedergeschlagen zu haben. Tatsache ist, dass insgesamt ein vierwöchiger Kampf ausbrach. Viele Juden wurden auf der Stelle getötet, die Überlebenden in die Gaskammern nach Treblinka geschickt.
 
„Ein Überlebender aus Warschau“ ist ein musikalisches Denkmal, das Schönberg dem Holocaust setzte. Den Anlass zur Entstehung des Werkes gaben Berichte von Überlebenden des Warschauer Ghettos. Schönberg formte daraus einen Text mit englischen, deutschen und hebräischen Abschnitten, den er seinem Werk zugrunde legte: Der Part des namenlosen Erzählers, der symbolhaft für jeden Überlebenden des Warschauer Ghettos steht, ist in neutralem Englisch gehalten. In deutscher Sprache, genau genommen in preußischem, militärischem Duktus, werden die Befehle bis zur Hinrichtung herausgebrüllt. Die einst so bewunderte Sprache der Dichter und Denker, von Goethe und Schopenhauer, von Schiller und Kant, wird durch die rohen, bestialischen Befehle zum deutschen Kainsmal. Am Ende lässt Schönberg, der selbst aus einer jüdischen Familie stammte, sein Werk mit dem Gebet Schma Jisrael in hebräischer Sprache ausklingen: "Höre, Israel, der Ewige, unser Gott, ist ein einiges, ewiges Wesen!"
 
Auch wenn es ein Musikstück der Zwölftontechnik ist: Die starke Expressivität des rund achtminütigen Werkes hinterlässt gerade in Verbindung mit dem Text beim Hörer stets einen tiefen Eindruck. Es entstand August 1947 im Auftrag der Koussevitzky Foundation, die Uraufführung fand am 4. November 1948 unter der Leitung von Kurt Frederik in Albuquerque (USA) statt.

Hier zunächst der eingangs erwähnte Konzertmitschnitt mit Schönbergs "Ein Überlebender aus Warschau“ und Mozarts Requiem aus dem Herkulessaal der Münchner Residenz vom 11. Mai 2017; es singen und musizieren Thomas Quasthoff (Sprecher), Genia Kühmeier (Sopran), Elisabeth Kulman (Mezzosopran), Mark Padmore (Tenor), Adam Plachetka (Bass) sowie Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung Mariss Jansons:
 
 https://www.youtube.com/watch?v=vHnJBiXMXfU&t=549s
 
Für Mozarts Requiem finden sich natürlich noch zahlreiche weitere Alternativen; einige habe ich für die heutige Ausgabe ausgewählt: Zunächst eine Aufführung aus dem Jahr 1981 im Wiener Musikverein mit dem Concentus Musicus Wien unter der Leitung von Nikolaus Harnoncourt, es singen Rachel Yakar (Sopran), Ortrun Wenkel (Alt), Kurt Equiluz (Tenor, Robert Holl (Bass) und die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor:
 
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Im Dezember 1991 führte Sir John Eliot Gardiner mit seinem Monteverdi Choir und den English Baroque Soloists Mozarts Requiem im Palau de la Música Catalana in Barcelona auf, die Solisten waren Barbara Bonney (Sopran), Anne Sofie von Otter (Mezzospran), Anthony Rolfe Johnson (Tenor) und Alastair Miles (Bass):

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 Anlässlich seines 200. Todestages wurde Mozarts Requiem am 5. Dezember 1991 im Wiener Stephansdom aufgeführt. Bei der weltweit live übertragenen Aufführung  musizierten Arléen Auger (Sopran), Cecilia Bartoli (Mezzosopran), Vinson Cole (Tenor), René Pape (Bass) sowie die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor und die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Sir Georg Solti:
 
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Und zuletzt noch eine sehr persönliche Aufführung, wieder mit dem Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die Solisten sind Marie McLaughlin (Sopran), Maria Ewing (Mezzosopran), Jerry Hadley (Tenor) und Cornelius Hauptmann (Bass). Leonard Bernstein widmete die Aufführung des Requiems dem Andenken seiner Frau Felicia Montealegre anlässlich ihres 10. Todestages. Die Aufführung fand im Juli 1988 in der Klosterpfarrkirche in Diessen am Ammersee statt:
 
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Beitrag von NR