Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
doppelt hält besser - und somit steht heute ein Musikstück im Mittelpunkt, das gleich nach zwei Soloinstrumenten (Violine und Violoncello) verlangt: Das Doppelkonzert a-Moll op. 120 von Johannes Brahms.
Johannes Brahms hat sein Doppelkonzert für Violine und Violoncello für den Cellisten Robert Hausmann und den Geiger Joseph Joachim geschrieben. Es entstand 1887 am Thumer See in der Schweiz, wo Johannes Brahms den Sommer verbrachte. Warum Violine, Cello und Orchester, warum ließ Brahms die alte Form der Sinfonia concertante wieder aufleben, die eigentlich die ganze Romantik hindurch, das ganze 19. Jahrhundert hindurch, keine Bedeutung hatte?
Der Grund scheint einfach - jedenfalls wird es so berichtet: Der Cellist Robert Hausmann hatte Brahms um ein Konzertstück gebeten. Gleichzeitig suchte Brahms nach einem Anlass, die seit damals sieben Jahren unterbrochene Freundschaft mit Joseph Joachim wieder aufzunehmen. Für den großen Geiger hatte Brahms damals sein Violinkonzert geschrieben. Man kann etwas salopp sagen: Ohne Joachim ging - zumindest im deutschsprachigen Raum - damals nichts oder kaum etwas Großes, Konzertantes für Solo-Violine. Brahms also entschloss sich, statt eines Cellokonzerts ein Doppelkonzert zu schrieben, um den verlorenen Freund wieder zu gewinnen. Der zeigte sich gnädig und so konnte dieses ungewöhnliche Konzert bereits am 18. Oktober 1887 in Köln mit dem Gürzenich-Orchester von Joseph Joachim und Robert Hausmann und zudem Brahms selbst am Dirigentenpult uraufgeführt werden. Das Werk stieß auf ein geteiltes Echo. Von "trostlos" und "unbedeutend" bis "wundervoll instrumentiert" und "famos" reichte das Spektrum der Kritiken.
Dennoch: Eine Geschichte mit Happy End und einem ungewöhnlichen, schwierigen, für die Solisten manchmal fast störrischen Werk. Die überlieferte Drei-Satz-Struktur gilt hier nicht als Formprinzip, an das man sich sklavisch halten muss. Vielmehr dient es als Rahmen für immer weiterführende Variationen. Brahms gelingt es, die beiden Instrumente (in seinen eigenen Worten eine einzige "Riesengeige") nicht nebeneinander, sondern miteinander auftreten zu lassen. Wie Violine und Cello mal den Melodiebogen voneinander übernehmen, mal gemeinsam für ein stetes Fließen sorgen und sich mal gegenseitig begleiten, ist meisterhaft gearbeitet. Im ersten Satz führen sich beide zunächst mit kurzen Kadenzen ein, bevor das Orchester zwei Themen präsentiert. Im zweiten Satz mit seinem breiten gesanglichen Thema verfolgen die Solisten oft in parallelen Oktaven den Melodiefluss. Und im dritten sollte man insbesondere die Entwicklung des durchaus skurril zu nennenden Hauptthemas mitverfolgen. Er lässt Violine und Cello sich umgarnen, umspielen, zanken, ergänzen oder verschmelzen. Kurz gesagt: Er behandelt zuweilen beide Instrumente, als wären sie eines. Brahms selbst bezeichnete sein Doppelkonzert als "meine letzte Dummheit".
Eine Reihe von Empfehlungen habe ich Ihnen für dieses Werk zusammengestellt: Zunächst die Aufzeichnung eines Benefizkonzertes vom 13. November 2015 im Herkulessaal der Münchner Residenz. Für den Adventskalender für gute Zwecke der Süddeutschen Zeitung musizierten an diesem Abend Anne-Sophie Mutter, Maximilian Hornung und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Mariss Jansons:
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Aus Köln ein Mitschnitt mit dem Orchester der Uraufführung: Das Gürzenich-Orchester musizierte am 21. September 2021 Brahms' Opus 120 mit seinem Konzertmeister Torsten Janicke und seinem Solocellisten Bonian Tian in der Kölner Philharmonie, die musikalische Leitung hatte François-Xavier Roth:
Anlässlich seines 75. Jubiläums spielte das NDR Elbphilharmonie Orchester am 30. Oktober 2020 aus dem Programm seines ersten Konzerts 1945 als damaliges "Sinfonieorchesters des Nordwestdeutschen Rundfunks". Chefdirigent Alan Gilbert dirigierte, die Solisten waren Julia Fischer und Daniel Müller-Schott:
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Im Rahmen seines Brahms-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern führte Leonard Bernstein das Doppelkonzert im September 1982 im Wiener Musikverein auf, die Solisten waren Gidon Kremer und Mischa Maisky:
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Und zum Schluss noch ein Mitschnitt aus London von den BBC Proms: Am 19. Juli 2011 gastierte in der Londoner Royal Albert Hall das Orchestre Philharmonique de Radio France mit seinem Chefdirigenten Myung-Whun Chung, die Solisten waren Renaud und Gautier Capuçon. Das vollständige Konzert mit allen Werken können Sie im folgenden Link nachsehen:
Carl Maria von Weber - "Oberon"-Ouvertüre
Johannes Brahms - Doppelkonzert a-Moll op. 120
Johan Halvorsen - Passacaglia g-Moll (Zugabe, bereits in Folge 19 veröffentlicht)
Igor Strawinsky - Le sacre du printemps