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10.11.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 246

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73 ist, anders als es sein Beiname "Emperor Concerto" suggeriert, kein allein von Heroismus geprägtes Werk. Es hat überraschend sanfte, intime Momente. 

Als Beethoven im Jahr 1809 dieses Konzert schrieb, war er von Kriegslärm umgeben. Napoleon Bonaparte stand mit seinen Truppen vor Wien. Das wirkte sich in zweierlei Hinsicht auf die Arbeit des Komponisten aus. Zum einen war die wirtschaftliche Existenz Beethovens unsicher geworden, weil sein Mäzen, Erzherzog Rudolf, die Stadt verlassen hatte und als Geldgeber nicht mehr zur Verfügung stand. Zum anderen nahm der Kriegslärm unmittelbar Einfluss auf Beethovens Schaffensprozess. Am Ende war ein Stück entstanden mit einer für das Genre ungewöhnlich neuen Form, in der der Solist zwischen heroischen und friedfertigen Momenten wechselt.

Mit Fortissimo-Schlägen des Orchesters, unterbrochen von einem lebhaft präludierenden Klavier beginnt das Klavierkonzert - wie eine freie Fantasie, eine Solo-Kadenz mit rauschenden Passagen. Allerdings ist hier jede Note aufgeschrieben, denn 1809, mit knapp vierzig Jahren, ist Beethoven fast vollständig taub. Er kann sein Opus 73 nicht mehr selbst aufführen und traut das auch keinem anderen mehr zu. Jede Kleinigkeit wird exakt in den Noten festgehalten. Schon bald nach dem Thema des ersten Satzes, das sich an die explosive Einleitung anschließt, wandelt sich das musikalische Wechselspiel zwischen Solist und Orchester in fast intime, kammermusikalische Momente. 

Tritt das Orchester im ersten Satz dieses Konzerts in einem beinahe martialischen Gegenpart gegenüber dem Solisten auf, so wird es im Adagio un poco moto zum freundlichen Begleiter. Hier finden sich ungemein zarte, lyrische und suchende Momente. Die weit ausschweifenden Kantilenen lassen den romantischen Klavierstil Frédéric Chopins vorausahnen; auch zu Franz Liszt ist es nicht mehr weit. Entfernte Tonarten, rhythmisch herausfordernde Motive und dynamische Extreme bestimmen die musikalische Entwicklung. Unerwartet entpuppt sich ein absichtslos aufgefächerter Es-Dur-Dreiklang als triumphales Rondo-Thema des dritten Satzes. Die aufsteigende Bewegung überschlägt sich geradezu vor Freude. Das Finale des Konzerts hat, ähnlich wie die Schlusssätze der anderen Klavierkonzerte, tänzerischen Charakter. Die große Spannung, die dem Anfang des Konzerts innewohnte, hat sich gelöst.

Auch heute wieder drei Empfehlungen für Sie: Beethovens Meisterwerk stand auf dem Programm des Abschlusskonzerts des Schleswig-Holstein-Musikfestivals am 25. August 2012 in der Kieler Sparkassen-Arena. Lang Lang musizierte mit dem NDR-Sinfonieorchester unter der Leitung von Christoph Eschenbach:

www.youtube.com/watch

Ein Fundstück aus dem Archiv: Friedrich Gulda, der zu den revolutionären Beethoven-Interpreten seiner Zeit zählte, spielte das fünfte Klavierkonzert am 5. Juni 1966 im Rahmen der Wiener Festwochen mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von George Szell:

www.youtube.com/watch

Und zum Schluss noch der Mitschnitt eines der ersten Europa-Konzerte der Berliner Philharmoniker, das seit 1991 jährlich am 1. Mai stattfindet. 1994 gastierte das Orchester mit Claudio Abbado im Theater in Meininigen, der Solist war Daniel Barenboim:

www.youtube.com/watch (1. Satz)

www.youtube.com/watch (2. und 3. Satz)

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler