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27.04.2022 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten - 318

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
 
einem der schönsten Oboenkonzerte der Musikgeschichte ist die heutige Ausgabe gewidmet: Wolfgang Amadeus Mozarts Oboenkonzert C-Dur KV 314 - und damals wie heute war Recycling absolut angesagt!
 
Im Frühjahr/Sommer 1777 brachte Mozart in Salzburg ein Oboenkonzert in C-Dur zu Papier, das eigens für den italienischen Oboisten Giuseppe Ferlendis entstand. Dieser spielte seit April 1777 im Hoforchester des Salzburger Erzbischofs, zu dem auch Mozart und sein Vater Leopold gehörten. Als Wolfgang Amadeus sich mit seiner Mutter im Herbst auf die Reise nach Augsburg und Mannheim begab, nahm er dieses Konzert mit und zeigte es dem Oboisten Friedrich Ramm, der zur Hofkapelle des Kurfürsten Karl Theodor in Mannheim gehörte, einem Ensemble, das in ganz Europa berühmt war.  Aus den Briefen des Komponisten an seinen Vater in Salzburg ist überliefert, dass Ramm von diesem Werk begeistert war und es bis Februar 1778 mindestens fünfmal aufführte. Mozart schrieb, das Stück sei Ramms "cheval de bataille" (Schlachtross, im Sinne von Lieblingswerk). 
 
Der weitere geschichtliche Verlauf dieses Werks ist kurios: Kurz darauf, als Mozart in Zeitnot Kompositionsaufträge für den dänischen Amateurflötisten Ferdinand De Jean fertigzustellen hatte, bearbeitete er das Oboenkonzert für Flöte. Dieses Werk kennen wir heute als Flötenkonzert D-Dur KV 314. De Jean hörte womöglich von Aufführungen dieses Werkes als Oboenkonzert und weigerte sich, für ein Werk zu zahlen, das lediglich eine Bearbeitung war. 1783 erwähnte Mozart das Oboenkonzert in einem Brief aus Wien, seinem neuen Aufenthaltsort. In diesem Schreiben bat er seinen Vater, ihm ein Skizzenbuch zu schicken, in dem das ursprünglich für Ferlendis geschriebene Konzert notiert war. Der Oboist Jacob Hyrtl, der unter Haydn im Orchester in Esterháza spielte, hatte ihm drei Dukaten für dieses Stück und die doppelte Summe für ein neues Konzert geboten. 
 
Ungefähr zwei Jahrhunderte lang ging man davon aus, dass das Flötenkonzert D-Dur KV 314 ursprünglich für dieses Soloinstrument komponiert wurde. Die Authentizität des Oboenkonzerts wurde angezweifelt, selbst vom Mozart-Biografen Alfred Einstein, der die Quellen beider Fassungen des Konzerts (C-Dur und D-Dur) aus der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien kannte. Ausschlaggebend war eine Endeckung des Musikwissenschaftlers Bernhard Paumgartner, denn aus dem Solopart und den kompletten Orchesterstimmen, die er 1920(!!!) in Salzburg entdeckte, ging hervor, dass das Oboenkonzert eindeutig ein Mozart-Werk und überdies die Originalfassung des Flötenkonzerts KV 314 ist. Die dreisätzige Komposition beginnt mit einem schwungvollen Allegro aperto, in dem die auffällig virtuose Oboenstimme lebhaft mit dem recht klein besetzten Orchester interagiert. Der elegische Mittelsatz wirkt wie eine Arie, deren melancholischer Text weggelassen wurde, während der Finalsatz, ein überschäumendes Rondo,dessen Thema später zu Blondchens Arie „Welche Wonne, welche Lust“ aus seiner Oper "Die Entführung aus dem Serail" wurde, ganz im Haydn’schen Geist steht.

Aus der Frankfurter Alten Oper kommt unser heutiger Konzertmitschnitt: François Leleux spielte Mozarts Oboenkonzert am 14. Oktober 2016 mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Andrés Orozco-Estrada:

www.youtube.com/watch

Wer dieses Stück mit der Fassung für Flöte vergleichen möchte, kann dies im folgenden Link tun. Henrik Wiese spielte das Werk am 6. Juli 2017 im Rahmen des Festivals Boswiler Sommer in der Alten Kirche gemeinsam mit den CHAARTS Chamber Artists. Zur Zugabe gesellt sich noch der Klarinettist Sebastian Manz als "special guest" hinzu: 

www.youtube.com/watch

Beitrag von NR