Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
am Aschermittwoch war alles vorbei, wir sind schon wieder in der Passionszeit - und anstelle der alljährlichen Aktion "Sieben Wochen ohne..." möchte ich in den kommenden Wochenend-Ausgaben dieser Reihe einen Gegentrend setzen: "Sieben Wochen MIT Mozart" - und seinen letzten acht Klavierkonzerten, die für mich zu den absoluten Höhepunkten in Mozarts Gesamtwerk und in der Musikgeschichte überhaupt zählen. In den kommenden Wochen werden Sie zahlreiche große Pianisten erleben, los geht es heute mit dem Klavierkonzert Nr. 20 d-Moll KV 466.
Mit den Ausdruckskontrasten von Dur und Moll arbeitete Mozart stets ausgiebig. Doch für das einige Jahre vor "Così fan tutte" entstandene 20. Klavierkonzert sind die Tongeschlechter gar maßgeblich prägend. Nur zwei Klavierkonzerte komponierte Mozart in einer Moll-Tonart; das gut 30-minütige d-Moll-Konzert war das erste. Die Folge bei der Rezeption: Unwillkürlich zieht der Hörer Parallelen zur späteren Epoche der Romantik.
Der 29-jährige Mozart nutzt die dunkle Eintrübung bereits in den ersten Takten, welche seltsam schemenhaft-neblig erklingen. Geheimnisvoll raunende Synkopen lassen bereits den "Don Giovanni" vorausahnen. Das Orchester gewinnt in diesem Klavierkonzert eine neue Gleichberechtigung neben dem Klavier. Der konzertante Wettstreit ist eher spielerisch als schroff. Hörer des 19. Jahrhunderts sahen in diesem Werk somit bereits einen Vorläufer der Kompositionen von Ludwig van Beethoven. Und der Bonner selbst schätzte es so sehr, dass er sich davon für diverse eigene Arbeiten inspirieren ließ. Das Hauptthema des ersten Satzes erscheint wie ein schmerzlicher Aufschrei; das zweite Thema ist hingegen deutlich cantabler; und in der Klavierstimme erklingt dann ebenfalls eine zarte, versöhnliche Melodie in Dur. Indes: Es hilft nichts, scharfe Akzentuierungen durchziehen das weitere Geschehen. Kein Zweifel, die Grundtonart ist und bleibt in Moll.
Es folgt eine Romanze, die ihren Namen voll und ganz verdient – zumindest beinahe: Zunächst präsentiert Mozart uns zwei Themen, die so schlicht, eingängig und bezaubernd sind, dass man eine Vorahnung der später verfassten "Zauberflöte" bekommt. Allerding behaupten sich im Mittelteil dieses zweiten Satzes wieder dunkle Fragmente des ersten. Und das Finale schließlich beendet das Konzert mit roher Kraft. Wir befinden uns wieder in der mitunter bedrohlichen Welt des ersten Satzes. Jedoch - und hier kommt die typisch Mozartsche Freude an der Hörer-Überraschung zum Tragen - gelangen wir plötzlich und dann auch nachhaltig ins Dur. War alles Unheimliche zuvor etwa nur ein Spaß? Der Schluss strahlt, als sei nichts gewesen
Die Uraufführung findet in einem von Mozarts neuen Abonnementskonzerten in Wien statt, mit denen er sich als selbständiger Musikveranstalter unabhängig von reichen Gönnern macht. Das Konzert KV 466 wurde schnell zu einem Lieblingswerk vieler Pianisten, allen voran Ludwig van Beethoven, der die ersten Kadenzen dazu komponierte. Auch Hummel, Mendelssohn, Brahms, Clara Schumann, Rubinstein und Busoni schrieben Solokadenzen zu diesem Konzert. Dazu kommen sogenannte "Eingänge", die jeder Pianist im dritten Satz vor der Wiederkehr des Rondo-Themas frei zu improvisieren hat. Überhaupt verändern sich Melodien und Motive bei Mozart ständig in immer neuen Spielarten.
Hier kommen meine Empfehlungen - zunächst Mitsuko Uchida mit der Camerata Salzburg, aufgezeichnet im März 2001 im Salzburger Mozarteum:
Ein Mitschnitt vom Rheingau Musik Festival folgt als nächster Tipp: Christopher Park musizierte am 21. August 2013 im Wiesbadener Kurhaus gemeinsam mit dem hr-Sinfonieorchester unter der Leitung von Paavo Järvi:
Noch einmal das hr-Sinfonieorchester, diesmal unter der Leitung von David Afkham; der Solist ist Emanuel Ax, das Konzert fand am 13. Dezember 2019 in der Frankfurter Alten Oper statt:
Der letzte Mitschnitt kommt aus Vicenza: Im Jahr 2009 musizierte der Pianist András Schiff gemeinsam mit der Capella Andrea Barca Mozarts d-Moll-Konzert - und setzte vorweg passend dazu Mozarts Ouvertüre zu "Don Giovanni" auf das Programm. Der Name Andrea Barca ist kennzeichnend für András Schiffs hintergründigen Humor: Wenn man den Namen des Pianisten vom Ungarischen ins Italienische übersetzt, kommt man auf Andrea Barca - es ist András Schiffs eigenes Kammerorchester, das regelmäßig hochkarätige Musiker*innen aus verschiedenen Ländern vereinigt: