Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
vor ein paar Tagen hat (nicht nur) mich der Pianist Rudolf Buchbinder mit einer Zugabe so sehr begeistert, dass ich das Stück gerne heute mit Ihnen teile. Es ist ein echtes Salonstück und könnte direkt von Franz Liszt stammen; orkanartiger Applaus ist garantiert, vorausgesetzt, dass der Solist das Stück beherrscht (und nicht das Stück den Solisten): Soirée de Vienne - Konzertparaphrase über Johann Straußsche Walzermotive op. 56 von Alfred Grünfeld.
Alfred Grünfeld (1852-1924) schuf über 100 Klavierkompositionen, darunter Salonmusik, Virtuosenstücke und Transkriptionen. Grünfelds Transkriptionen nach Melodien von Johann Strauss Sohn machten ihn berühmt. Strauss hatte ihm seinen Walzer "Frühlingsstimmen" op. 410 gewidmet und soll über Grünfelds Bearbeitung einmal gesagt haben: "So schön sind die Walzer ja gar nicht...das hast ja nur du alles daraus herausgespielt." Grünfeld hat seine Walzer Transkriptionen im Lauf der Jahre entwickelt und verändert, so wie es seiner improvisatorischen Praxis entsprochen hat. Seine nach Strauss-Melodien zusammengestellte "Soire de Vienne"-Konzertparaphrase entstand vorrangig für seinen eigenen Konzertvortrag.
Grünfeld konnte sich lange nicht entschließen, diese Stücke aufzuschreiben, erst im Mai 1914 notierte er die "Soiree de Vienne"-Konzertparaphrase in sein Musikalisches Tagebuch, das in der Wienbibliothek verwahrt wird. Die Niederschrift erfolgte möglicherweise für eine geplante Druckausgabe, zu der es aber nicht kam; erst 1926, zwei Jahre nach Grünfelds Tod, erschien das Werk.
Grünfelds Soirée de Vienne ist seit vielen Jahren ein Paradestück für Rudolf Buchbinder - hier ein Mitschnitt vom 17. Dezember 2021 aus dem Pariser Auditorium de la Maison de la Radio et de la Musique:
www.youtube.com/watch
Und zum Vergleich noch Yevgeny Kissin, aufgezeichnet im Jahr 2002 beim Festival Chorégies d'Orange: