Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
am vergangenen Sonnabend konnten wir in Königslutter ein unter Corona-Bedingungen ausverkauftes Weihnachtskonzert im Kaiserdom durchführen. Zum ersten Mal nach zweijähriger Pause waren wieder Solisten, Chor und Orchester in diesem besonderen Kirchenraum live zu erleben. Sowohl für das Publikum als auch für für alle Mitwirkenden war es ein sehr besonderer Abend - und ich bin einfach nur froh und dankbar, dass dieses Konzert stattfinden konnte und nicht doch noch in letzter Minute abgesagt werden musste.
Viele der Mitwirkenden waren auch vor zwei Jahren bei dem letzten großen Konzert im Kaiserdom am 21. Dezember 2019 dabei - damals stand Joseph Rheinbergers Weihnachtskantate "Der Stern von Bethlehem" im Mittelpunkt. Mit großem Aufwand wurde das Konzert in Bild und Ton durch den prospect-Studio-Label-Verlag Andreas Lamken festgehalten - und diesen Mitschnitt empfehle ich Ihnen heute gerne als Einstimmung auf die kommenden Festtage, das Programm beinhaltete folgende Werke:
Otto Nicolai - Weihnachtsouvertüre über den Choral "Vom Himmel hoch"
Max Bruch - Kol Nidrei op. 47
Joseph Rheinberger - Der Stern von Bethlehem op. 164
Joseph Rheinbergers Weihnachtskantate „Der Stern von Bethlehem“ entstand 1890 nach einem Text von Rheinbergers Ehefrau Fanny Hoffnaaß. Die Erwartung der Adventszeit, die Verkündigung des Engels, die Anbetung der Hirten, der Weg der Weisen und ihre Huldigung, die Mutter Maria an der Krippe und schließlich die dankbare Freude erfüllter Hoffnung werden in diesem Werk in neun Szenen beschrieben. Unter seinen Werken schätzte Rheinberger den „Stern von Bethlehem“, das zu seinen letzten Vokalwerken zählt, besonders. Dennoch konnte er sich nicht entschließen, einer Aufführung beizuwohnen. Schmerzliche Erinnerungen an den Tod seiner Frau (sie war nach langer Krankheit nur wenige Tage nach der Uraufführung gestorben) verband er mit diesem Werk, eine Aufführung des "Sterns" hat er nie erlebt.
Zuvor erklingt Max Bruchs „Kol Nidrei“ für Solo-Violoncello und Orchester. Das Stück entstand in Bruchs Berliner Zeit, in der er als Dirigent des Stern'schen Gesangvereins tätig war und mit jüdischen Gebräuchen und Melodien bekannt wurde. „Kol Nidrei” sind die beiden ersten Worte eines wichtigen jüdischen Liturgietextes, der bei einer Andacht am Vorabend des Jom Kippur-Festes rezitiert wird. Bruch verwendete für seine musikalische Paraphrase über diesen Text zwei alte hebräische Melodien: Zum einen der traditionelle Bußgesang des jüdischen Jom Kippur-Festes, zum anderen Isaac Nathans Fassung von Lord Byrons Hymne „Oh Weep for Those that Wept on Babel's Stream“. Die Uraufführung des Werkes fand im Jahre 1880 in Liverpool statt, wo Bruch im gleichen Jahr die Leitung der Philharmonic Society übernommen hatte.
So wie Max Bruch oftmals nur als Komponist seines ersten Violinkonzertes gesehen wird, wird auch Otto Nicolai häufig nur auf seine Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ reduziert. Großen Einfluss auf Nicolais Arbeit hatte die Begegnung mit Felix Mendelssohn Bartholdy als Mitglied der Berliner Singakademie. Vorbild für seine 1834 uraufgeführte Weihnachtsouvertüre, die zu Beginn des Konzerts erklingt, war einerseits Mendelssohns „Sommernachtstraum“-Ouvertüre und ein Bibelvers im Buch Jesaja: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht." Dieser Vers wird allgemein als Ankündigung der Geburt Jesu ausgelegt und somit auf die Weihnachtsgeschichte bezogen. Passend zum Wandeln im Finstern beginnt die Weihnachtsouvertüre in düsterem d-Moll, endet aber festlich-triumphal mit der letzten Strophe des Luther-Chorals „Vom Himmel hoch": „Lob, Ehr sei Gott in höchsten Thron.“ Zu Lebzeiten Nicolais geriet das Werk schnell in Vergessenheit und wurde erst Anfang des 20. Jahrhunderts wieder entdeckt.
Die Mitwirkenden sind Tobias Münch (Violoncello), Danuta Dulska (Sopran), Marco Vassalli (Bariton), die Propsteikantorei Königslutter (Einstudierung: Matthias Wengler), der Kammerchor Vela Cantamus Helmstedt (Einstudierung: Andreas Lamken), der Chor an St. Michaelis, Braunschweig (Einstudierung: Renate Laurien) und die EmmausKantorei Braunschweig (Einstudierung: Heike Kieckhöfel) sowie Heike Kieckhöfel (Orgel) und die Camerata Instrumentale Berlin.
Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler